Bericht der Weltwärts-Freiwilligen Clara Padis

Die Freiwillige Clara Padis, die im September 2015 ihr Jahr im Kinderhaus beendete, schreibt in ihrem 3. Bericht für Weltwärts:

„DEVENIR TOGOLAISE“ Leben im Projekt und was es mit sich bringt

Meine Arbeitsfelder im Waisenhaus haben sich im Laufe der Zeit nicht sehr verändert. Ich habe jedoch nun viel weniger Schwierigkeiten, weil ich mich viel besser auskenne. Ich bin sehr viel sicherer geworden. Ich weiß, wie ich die Kinder motivieren kann und wenn ich neue Projekte einführen möchte, weiß ich, wen ich ansprechen muss oder wo ich das Material finden kann. Ich mache mit den Kindern einen Batikkurs, renoviere mit dem Geschäftsführer gemeinsam die Bibliothek und entwickle ein Ausleihsystem für Bücher.

Die Älteste macht dieses Jahr ihr Abitur und die 5 Neuntklässler haben Ende des Schuljahres auch eine Prüfung. Ich versuche sie so gut wie möglich in Französisch, Englisch und auch in anderen Fächer zu unterstützen. Meine Arbeit ist ansonsten immer noch sehr breit gefächert. Ich helfe viel in der Küche, sorge für die Kinder, wenn sie krank sind, denke mir mit dem Geschäftsführer neue Projekte aus, organisiere Ausflüge, bastle und erzähle sehr viel mit den Kindern.

Dass ich im Waisenhaus nicht nur arbeite sondern auch lebe, hat Vor- und Nachteile: Einerseits ist es eine für mich sehr wertvolle Erfahrung, da ich gelernt habe mit vielen schwierigen Situationen umzugehen, die ich sonst in keinem anderen Umfeld so mitbekommen hätte. Dennoch bringt es auch Probleme mit sich, weil z.B. das Personal sowie die Kinder und Jugendlichen eifersüchtig sind, da ich oft rausgehen kann und mehr materielle Sachen besitze als sie. Diese Situation hat mich viel zum Nachdenken gebracht, aber letztendlich bin ich so mit allen im Kinderhaus in einen viel intensiveren Austausch geraten und wir haben einiges voneinander lernen können. Was mich an der Zeit hier im Waisenhaus erfreut, ist, dass ich immer noch wie am ersten Tag sehr viel Spaß habe und immer sehr gerne mit den Kindern zusammen bin. Ich schätze jeden einzelnen sehr und bin sehr dankbar für diesen intensiven Kontakt.

Ein Leben ohne Perspektiven – das große Problem der „Zémidjans“ (Motorradtaxis)

Wenn man in Togo unterwegs ist, wird einem die Menge an Motorradtaxis, vor allem in der Hauptstadt Lomé, schnell ins Auge fallen. Es handelt sich, wie man am Anfang fälschlicherweise vielleicht glauben mag, nicht um eine Vorliebe der Togolesen für japanische und chinesische Motorräder, sondern um ein sehr präsentes Problem in Togo: die hohe Arbeitslosigkeit.

So kommt es, dass man sich manchmal unterwegs auf einem Motorradtaxi mit einigen Masterabsolventen in Geographie oder mit einem in perfektem Englisch sprechenden Englischstudenten unterhält und sich fragt, wie kann es sein, dass sie keine andere Arbeit finden konnten? Viele, die schon als Student nur sehr schwer das Geld auftreiben konnten, um ihr Studium zu finanzieren, haben nach dem Abschluss keine Möglichkeit einen Job zu finden. Sie suchen nach einem etwas reicheren Händler, der ihnen ein Motorrad kauft, was sie dann bei ihm abbezahlen müssen. Nach 3 bis 5 Jahren, wenn es dann ihr eigen wäre, ist das Motorrad kaum mehr brauchbar und die Reparaturkosten sind zu teuer.

Togo ist ein Agrarland, das hauptsächlich von seinen selbstangebauten Produkten lebte. Jedoch wird der Markt von außen zerstört, da importierte Produkte mittlerweile um einiges billiger sind als die lokalen Produkte. Die traditionellen Stoffe werden nun in China und Holland nachgeahmt und auf dem Markt für viel weniger verkauft. Neben den von gutgläubigen Bürgern gespendeten Altkleidern, die hier sehr günstig verkauft werden, ist es den Togolesen fast unmöglich, noch eigene Stoffe herzustellen und zu verkaufen. Auch die Veränderungen in der Infrastruktur werden fast ausschließlich von ausländischen Firmen übernommen. Das Land ist abhängig von importierten Produkten und der Staat kümmert sich nicht um bessere Bildung, technische Universitäten oder um die Zémidjans, die nur darauf warten, eine angemessene Arbeit zu finden.

Falsche Utopie des Stadtlebens

In Togo ist die Landflucht sehr groß. Die Menschen verlassen ihre Dörfer, um nach Lomé zu ziehen und dort ein erfüllteres Leben zu führen. Jedoch ist die Armut für viele Menschen in der Stadt größer, da alles viel teurer ist und die Strukturen ganz anders sind als im Dorf. Bei einigen Besuchen im Norden des Landes (unter anderem im Norden, im Dorf Solla, wo meine Mitfreiwillige Luise wohnt,) ist mir aufgefallen, dass die Menschen im Dorf aus meiner Sicht her glücklicher wirken. In ihrem Dorf leben sie mit Menschen zusammen, die ihre Kultur und ihre Gewohnheiten teilen. Sie sprechen ein und dieselbe Sprache und können sich untereinander helfen. Wenn sie jedoch in die Stadt ziehen, müssen sie erstmal eine neue Sprache lernen, sind sie meistens auf sich selbst gestellt und müssen eine Menge Geld ausgeben, da sie nicht von ihrem eigenen Anbau leben können. Sie müssen eine Miete bezahlen, die verhältnismäßig hoch ist und das Haus ist oft in sehr schlechtem Zustand. Viele junge Leute, die in die Stadt ziehen, wollen ihren Eltern im Dorf etwas Geld geben können, damit sie ein besseres Leben führen, doch dazu reicht es oft nicht: Sie arbeiten von früh bis spät und oft ist die Bezahlung so miserabel, dass es gerade zum Überleben reicht.

Das Leben in meiner Umgebung

Da ich nun schon länger hier bin, habe ich immer mehr Orientierungspunkte, die es mir ermöglichen, mich zurecht zu finden und wohlzufühlen. Ich kenne nun viele Menschen und Orte in meinem Viertel und fühle mich nur sehr selten noch als Fremde. Die Bekannten, die man auf der Straße trifft, sind immer sehr offen, grüßen freundlich und so bekommt man sehr stark das Gefühl dazu zu gehören. Es ist auch immer sehr schön für mich, wenn ich unterwegs bin im Viertel und Leute höre, die von mir behaupten, ich sei die Europäerin, die ihre Sprache spricht. Insgesamt fühle ich mich hier sehr wohl und ich habe enorm viele Erfahrungen gemacht, die mich bereichern. Ich habe das Gefühl sehr vertraut mit dem alltäglichen Leben der Togoer zu sein und eine Menge über ihre Lebensart und Denkweise kennengelernt zu haben.