Am 14. August kamen Clara, eine Freiwillige, die ihr Jahr im Norden Togos in der Nähe von Kara verbringen wird, und ich am Flughafen von Lomé an. Nach dem ersten Luftfeuchtigkeitsschock fanden wir schnell die Gruppe, die unsere Namensschilder hochhielt. Ich war überrascht und erfreut, wie viele zum Flughafen kamen, um uns in Empfang zu nehmen. Dort waren die beiden Mamas, Papa Mathias, zwei Mitglieder des Vorstandes und mein Mentor Djato. Nach der ersten herzlichen Begrüßung und den ersten Gruppenfotos fuhren wir dann ins Kinderhaus, wo wir alle gemeinsam zu Abend aßen. Die Stimmung war sehr schön, fast sogar ein wenig aufgedreht, was vieles von der Anfangsaufgeregtheit wettmachte. In den zwei Wochen zeigte mir mein Mentor die Stadt und die Umgebung. Wir waren am großen Markt, am Strand, an der Universität und an vielen anderen Orten. Außerdem fuhren wir für ein Wochenende nach Kpalimé,wanderten dort durch den Urwald und schwammen unter den Wasserfällen, was sehr eindrucksvoll war. Als diese Tour dann zu Ende war, hieß es, in einer Woche werden wir im Norden die Kinder abholen. Doch diese Rechnung hatte man ohne den Staat gemacht, der die Ferien bis zum 17. Oktober verlängerte, weil es Anfang Oktober ein Treffen von afrikanischen Staatschefs in Lomé gab. Da nun die Lehrer zum Schulanfang streiken wollten und man nicht wollte, dass es zu etwaigen Hässlichkeiten kommt, beziehungsweise, dass die Gesandten der anderen Länder diese mitbekommen, hat man also kurzerhand die Ferien verlängert. Nun war es erst Ende August und es sollte noch einen Monat dauern, bis wir endlich die Kinder holen konnten. Ich konnte aber wenigstens acht der Kinder aus Lomé schon kennenlernen, da an einem Tag im Kinderhaus eine Fortbildung über Gewalt und Gewaltprävention stattfand. Am Abend habe ich dann mit einigen Karten gespielt oder wir haben Huckepackwettrennen veranstaltet. In dieser Zeit hatte ich viel Zeit für mich und konnte viel lesen. Des Weiteren durfte ich den Genuss lieben lernen, die Stunden auf dem sonnigen Dach des Hauses zu verbringen. Sonst war ich manchmal mit den Mamas oder der Tante auf dem Markt, um Essen einzukaufen. Auch war ich häufig im Goetheinstitut, um dort Theaterstücke oder Tanz zu sehen und freitags, um mit anderen zu diskutieren, da es dort einen zweisprachigen Stammtisch gibt, den mein Mentor leitet. Mitte September stieß dann Clara Padis hinzu, die vor zwei Jahren Freiwillige im Kinderhaus war, und jetzt ein einmonatiges Praktikum in einem Krankenhaus absolvierte. Sie konnte mir auch wieder viele Orte und Menschen zeigen, sowie auch Reflexionen und die Besonderheiten der hiesigen Bürokratie. Sie und Djato nahmen mich dann auch zum Salsa tanzen mit, was man bei mir dann kaum tanzen nennen kann, aber ich habe Hoffnung…
Am 28. August kamen am Abend endlich die Kinder, die in Lomé ihre Ferien verbrachten, im Kinderhaus an. Wir aßen dann gemeinsam und spielten ein wenig Karten. Im Gegensatz zu den vorherigen Wochen, in denen gerade abends Stille herrschte, war nun plötzlich Licht und Gewusel zu beobachten, und ich war ein wenig überrascht, wie schnell das ganze einem alltäglichen Treiben glich. Früh am nächsten Morgen, um vier Uhr, musste ich dann aufstehen, um pünktlich um fünf Uhr in den Bus des Kinderhauses zu steigen und gen Norden aufzubrechen. Zusammen mit Papa Mathias und einem Fahrer ging die Reise los, um die Kinder abzuholen, welche sich in horizontaler Richtung auf ganz Togo verteilen. Bis Kara fuhr noch ein Freund aus Solla mit, wodurch die Hinfahrt, welche meist aus Schlaf, Pause und Unterhaltung bestand, sich nicht zu lange hinzog. Nach circa zehn Stunden Fahrt, durch über doch meist annehmbaren Straßen und teils wunderschön grüne und bergige Landschaften kamen wir dann in Dapaong an, einer Stadt ganz im Norden, nahe der Grenze zu Benin. Dort warteten wir dann erst mal auf den Herren, der uns das Haus aufschließen sollte, in welchem wir übernachteten. Nachdem wir uns dann ein wenig ausgeruht hatten, gingen wir noch etwas essen und trinken, um dann circa um Mitternacht in den lang ersehnten Schlaf zu fallen. Und dort dachte ich dann noch, ja die Reise wird zwar anstrengend, aber es geht ja noch. Ich kannte den nächsten Tag nicht. Um vier Uhr morgens brachen wir auf, um zum Treffpunkt in Dapaong zu kommen. Dort warteten schon die ersten Kinder mit ihren Verwandten und es herrschte eine durch Übermüdung und Dunkelheit, befeuert durch den Muezzin Ruf unwirkliche, aber gespannte und vorfreudige Stimmung. Als dann nach und nach alle Kinder aus Dapaong und Umgebung eingetrudelt waren, ging es dann los. Wir fuhren und fuhren, es wurde hell, wir frühstückten, wir fuhren weiter. Der Bus wurde zunehmend voller und überladener. Wir fuhren weiter, bemerkten jemand vergessen zu haben, fuhren eine halbe Stunde zurück und dann wieder weiter. Es wurde zunehmend lauter durch Gerede und Gesang. Am frühen Nachmittag war die Stimmung schließlich am Höhepunkt, es wurde viel gelacht und gestaunt. Doch danach wurde es schließlich enger und enger und nach zehn Stunden Fahrt war alles Neue erzählt und die Zeit verging immer langsamer. Als wir nach dreizehn Stunden Fahrt in Lomé ankamen und sich meine Erschöpfung schon lange nicht mehr aushalten ließ, gab es dann wieder einen Moment aufgedrehter Schönheit, als wir endlich um die Ecke zum Kinderhaus bogen wartete an der Straße schon Mathieu, ein Kind aus dem Kinderhaus und rief uns zu und rannte die letzten 100 Meter neben dem Bus her. Dann ankommen, ausladen und schließlich lächeln über die Erschöpfung und Schönheit dieser Reise.
Da in den nächsten zwei Wochen immer noch Ferien waren, gab es viel Zeit. Diese überbrückte man mit Kennenlernen, Erzählen und vor allem Fußball spielen, sehr viel Fußball spielen. Außerdem gab es noch Fortbildungen, zum Beispiel zum Thema Kommunikation. Und abends gingen wir oft, fast jeden Tag in die Kirche. Und schließlich wurde das wuselige Treiben, welchem ich am ersten Tag mit den Kindern noch ungläubig gegenüberstand, auch für mich Alltag.
Jedoch auch dieser zweite Alltag wich dann schnell einem neuen, als die Schule begann. Morgens früh um kurz nach sechs Uhr bringe ich die kleineren Kinder, welche noch die Grundschule besuchen, zur Schule. Danach ist dann Zeit für mich, die ich meist mit Weiterschlafen, Lesen verbringe oder aber mit den Mamas. In den ersten zwei Schulwochen waren außerdem noch Hélene und Bertille da, deren Ausbildung bzw. Studium noch nicht begonnen hatte. Mit ihnen habe ich dann viel Filme oder Serien geschaut, oder wir sind etwas essen gegangen. Meist um zwei Uhr nachmittags hole ich dann die Kinder aus der Grundschule wieder ab. Danach gibt es Essen und eine kleine Pause bis ungefähr 16 Uhr. Dann kommen Nachhilfelehrer, die dann in kleineren Gruppen mit den Kindern üben. Um circa 19 Uhr gibt es Abendessen. Anschließend machen wir alle zusammen Hausaufgaben, wo ich vor allem in Englisch und Mathematik sehr gefragt bin und wo es manchmal sehr schwierig ist, die Kinder davon zu überzeugen, dass ich nur helfe und nicht alles alleine mache. Nachdem man dann am Abend erstmal nicht verstehen kann, dass ich nicht einfach für sie den Brief oder das Essay schreibe, da das ja viel schneller gehen würde, ist man am nächsten Tag doch immer sehr froh es selbst gemacht zu haben und für die (fast) eigene Arbeit vom Lehrer gelobt worden zu sein. Des Weiteren übe ich zu dieser Zeit auch immer viel Kopfrechnen und Lesen mit den Kleinen. Auch unterrichte ich jeden Freitagabend Deutsch. Jeden Abend sitzen wir dann noch bis in die Nacht mit teils großen, teils kleineren Grüppchen zusammen und unterhalten uns, scherzen herum, oder aber man versucht mir Tanzschritte beizubringen. Das ist der schönste Teil des Tages, wenn man wieder müde, die Erschöpfung in allen Gesichtern zu lesen, zusammensitzt. Jeder hat seine Arbeit getan, manche Köpfe liegen schon im Halbschlaf auf dem Tisch, doch man will trotzdem bei mattem Licht noch nicht schlafen gehen, sondern in dieser Gesellschaft verweilen.
Rückblickend kann ich nun über drei verschiedene Alltage berichten, von denen jeder seinen Reiz, seine Kontinuität und seine eigene Schönheit hat. Und jetzt kommt nun in den dritten Alltag für kurze Zeit ein weiterer hinzu. Die Vorfreude und die ersten Vorbereitungen auf Weihnachten, auf dessen Hinblick wir gerade ein großes Fest planen. Zum einen wird geplant mit dem Papa in der Organisation, zum anderen mit machen der Kinder, die schon teilweise Mitte November zu mir kamen und mir berichteten, wie alles abzulaufen habe.
Trotz meiner Ungläubigkeit ob des Wetters an ein nahendes Weihnachten, steigt nun auch bei mir die Vorfreude und ich bin wirklich gespannt, dieses Fest in so großer Runde zu verbringen. Das wird dann der nächste Alltag zwischen den Feiertagen, von dem ich dann im nächsten Bericht erzählen werde.
Bis dann, liebe Grüße aus dem warmen Togo ins eher nicht mehr so warme Deutschland.
Frederic